Scheidung ohne Trennungsjahr – Wie lässt sich auf das Trennungsjahr verzichten?

Für eine Scheidung in Deutschland ist das Trennungsjahr eine zentrale Voraussetzung – aber geht eine Scheidung ohne Trennungsjahr auch? 

Trennung Scheidung
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Im Trennungsjahr sollen sich die scheidungswilligen zukünftigen Ex-Partner überlegen können, ob die Differenzen so unüberbrückbar sind, dass eine gemeinsame Zukunft bzw. Ehe ausgeschlossen ist.

Das Trennungsjahr dient damit als Prüfstand für die Ehe und deren Zukunftsfähigkeit.

Doch was ist, wenn die Differenzen so groß sind, dass sich die beiden Ehepartner nicht mehr zusammenraufen können? Welche Möglichkeiten gibt es dann das Trennungsjahr zu umgehen?

Über die Möglichkeiten informieren wir Sie in diesem Beitrag!

Inhalt

  1. Scheidung mit Trennungsjahr – Regelfall einer Scheidung in Deutschland
  2. Scheidung ohne Trennungsjahr – Härtefallscheidung als Ausnahme
  3. Was sind Gründe für eine Härtefallscheidung?
  4. Wann liegen keine Gründe für eine Härtefallscheidung vor?
  5. Der Einzelfall entscheidet

Scheidung mit Trennungsjahr – Regelfall einer Scheidung in Deutschland

Für jede reguläre oder „normale“ Scheidung in Deutschland gilt, dass ein Trennungsjahr vorliegen muss, bevor die Ehe geschieden werden kann, wenn beide Ehepartner die Scheidung wollen. Dabei muss nicht immer eine räumliche Trennung vorliegen. 

Möglich ist auch, dass das Trennungsjahr in einer gemeinsamen Wohnung verbracht wird, wenn z.B. wirtschaftliche Gründe oder andere Gründe dafürsprechen. Zum Trennungsjahr in der gemeinsamen Ehewohnung ist allerdings eine individuelle Beratung unverzichtbar, damit das Familiengericht dies auch als Trennungsjahr anerkennt.

Welche Vorkehrungen dazu getroffen werden können und müssen, können sehr individuell sein.

Da in dem Trennungsjahr beiden Noch-Ehepartnern die Möglichkeit gegeben werden soll zu überprüfen, ob nicht eine gemeinsame Zukunft und Ehe noch möglich ist und eine Scheidung deshalb verhindert werden kann, lässt sich das Trennungsjahr eben nur dann umgehen, wenn die Ehe bereits endgültig gescheitert ist. 

Darüber hinaus muss es einem Ehepartner unzumutbar sein, die Ehe noch ein Jahr weiter zu führen. Die Gründe hierfür, sind vom Einzelfall abhängig.

Scheidung ohne Trennungsjahr – Härtefallscheidung als Ausnahme

Bei der sog. Härtefallscheidung kann aus bestimmten Gründen auf die Einhaltung des Trennungsjahres verzichtet werden. Solche Gründe müssen in dem Verhalten des jeweils anderen Ehepartners liegen. 

Das Familiengericht wird einer Härtefallscheidung nur dann zustimmen, wenn diese Gründe konkret benannt werden können und sich aus diesen konkreten Gründe eine belastende und unzumutbare Situation ergibt. Damit ist klar, dass solche Gründe objektiv und subjektiv nachvollziehbar für das Gericht sein müssen. 

Es reicht nicht sich lediglich auf allgemeine Gründe zu berufen um das Trennungsjahr zu umgehen.

Welche Voraussetzungen gelten für eine Härtefallscheidung?

Neben einem besonderen Grund für eine Härtefallscheidung müssen auch weitere Voraussetzungen vorliegen:

  • Scheitern/Zerrüttung der Ehe: Das Familiengericht prüft hier, ob die Möglichkeit besteht, dass die Ehe noch eine Zukunft hat und die Chance besteht, dass die Ehepartner weiterhin zusammenleben wollen. Oft sind aber die Gründe, die für eine Härtefallscheidung in Frage kommen, so gravierend, dass ein „verständiger“ Dritter für eine Fortführung der Ehe keine Chance mehr sehen würde.
  • Räumliche Trennung: anders als bei einer „normalen“ Scheidung ist bei der Härtefallscheidung die räumliche Trennung notwendig. Gerade wenn es unzumutbar ist das Trennungsjahr einzuhalten, ist davon auszugehen, dass auch das räumliche Zusammenwohnen in der gemeinsamen Ehewohnung unter allen Umständen nicht mehr möglich ist.
  • Härtefallgrund liegt in der Person des anderen Ehepartners: Der Grund für eine Härtefallscheidung muss in dem Verhalten des jeweils anderen Partners liegen. Will man sich auf eine Härtefallscheidung berufen, weil man einen anderen Menschen heiraten möchte, so liegt z.B. keine Härte vor. Der Grund liegt dann nämlich nicht im anderen Ehepartner.
  • Detaillierte Schilderung der Gründe: Das Familiengericht muss einen Eindruck darüber bekommen, warum das Abwarten des Trennungsjahres unzumutbar ist. Dies sollte so genau wie möglich, aber auch nur so ausführlich wie nötig geschehen. Allerdings führt eine zu kurze oder zu oberflächliche Schilderung der Gründe meistens eher dazu, dass das Familiengericht eine Härtefallscheidung für nicht gerechtfertigt hält.

 Was sind Gründe für eine Härtefallscheidung?

Ganz entscheidend für eine Härtefallscheidung ist, dass der Grund für die Unzumutbarkeit der weiteren Fortführung der Ehe konkret und im Einzelfall vorliegt. Somit ist jeder Einzelfall für sich zu betrachten und die Umstände entscheiden, ob das Familiengericht hier einen Grund sieht, der zum Verzicht auf das Trennungsjahr berechtigt.

Die folgende Übersicht zeigt einige Gründe, die in der Rechtsprechung zu einer Härtefallscheidung geführt haben:

  • Tätlichkeiten gegen den Ehepartner: je nach Schweregrad der aufgetretenen Verletzung reicht bereits eine einzige Körperverletzung aus (z.B. Knochenbrüche oder Gehirnerschütterung)
  • Beleidigungen gegen den Ehepartner: vor allem, wenn diese öffentlich sind, gehäuft vorkommen oder tiefgreifend ehrverletzend sind. Hierzu zählt z.B. auch das Anspucken.
  • Straftaten und Haftstrafen: Verschweigt der Ehepartner z.B. eine anzutretende Haftstrafe, kann darin ein Härtefallgrund liegen. Bei Straftaten kommt es nicht darauf an, dass diese sich gegen den Ehepartner richten müssen.
  • Fremdgehen und Schwangerschaft: Geht einer der andere Ehepartner „fremd“, hat also eine außereheliche Beziehung mit einer anderen Person, dann kann darin ein Härtefallgrund liegen. Entsteht aus diesem Fremdgehen ein Kind – egal ob die Ehefrau von einem anderen Mann schwanger ist oder eine andere Frau von dem Ehemann – kann ebenfalls ein Härtefallgrund angenommen werden.
  • Schwere Krankheit des anderen Ehepartners: Hierbei kommt es nicht auf eine bestimmte Krankheit des Ehepartners an. Soweit der Ehepartner die Krankheit des anderen Ehepartners als Härte empfindet, kann eine Härte vorliegen.

Dies zeigt jedoch nur einen Ausschnitt von Gründen, die eine unzumutbare Härte begründen können. Es kommt häufig auch auf Begleitumstände, die Häufigkeit und Schwere von bestimmten Handlung an, ob eine Härte vorliegt oder nicht.

Wann liegen keine Gründe für eine Härtefallscheidung vor?

In folgenden Fällen dürfte, unabhängig vom Einzelfall, keine Härte vorliegen:

  • Einmaliges Fremdgehen oder einmalige (leichte) Tätlichkeit
  • Keine Unterhaltszahlung
  • Nachlässige Haushaltsführung
  • Bei einer Scheinehe oder wenn die Ehe nur deshalb eingegangen wurde, um häuslich versorgt zu sein (wenn in solchen Fällen keine Lebensgemeinschaft begründet worden ist)
  • Bei häufigen Streitereien und Zerwürfnissen
  • Wenn die Heirat eines neuen Partners beschleunigt werden soll
  • Ein Härtefall kann auch dann nicht angenommen werden, wenn die Ehefrau sich auf einen Härtefallgrund beruft, der darin begründet liegt, dass sie selbst außerehelich von einem anderen Mann schwanger ist. In diesem Fall könnte sich allerdings der Ehemann auf einen Härtefallgrund berufen.

Der Einzelfall entscheidet

Diese Auswahl von Gründen, die eine Härtefallscheidung rechtfertigen oder auch nicht rechtfertigen können, zeigt bereits, dass es immer auf den Einzelfall ankommt. 

Hier können Begleitumstände einen eigentlich nicht zur Härtefallscheidung berechtigenden Grund durchaus auch anders darstellen.

Bei einer Beratung durch einen Rechtsanwalt sollten daher alle Aspekte eines möglichen Härtefalls geschildert werden. Wir besprechen deshalb die Gründe mit Ihnen genau und können dann durch unsere Erfahrung eine Einschätzung geben, ob eine Härtefallscheidung Erfolg haben könnte.

Bilderquellennachweis: © Vitalez1988 | PantherMedia

Martina Kellermann
Martina Kellermann
Seit 2001 ist Martina Kellermann nahezu ausschließlich als Anwältin für Familienrecht in Hannover tätig. Mit ihrem reichen Fundus an Erfahrung auf diesem Rechtsgebiet und durch ihre Spezialisierung berät sie ihre Mandanten im außergerichtlichen und gerichtlichen Bereich, stets auf dem aktuellen Stand der Rechtslage.
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