Die Prozesskostenhilfe bei einer Scheidung – Tipps vom Anwalt

Geht eine Partnerschaft in die Brüche, ist dies meist nicht nur eine emotionale Belastung. Auch der bürokratische und finanzielle Aufwand kann zu einer Herausforderung werden. 

Damit die Auflösung der Ehe nicht nur den Menschen mit gutem Einkommen vorbehalten bleibt, können Sie u. U. deshalb die so genannte Prozesskostenhilfe beantragen. Wie das geht und was das genau ist, erfahren Sie hier.

Prozesskostenhilfe
Möchten Sie mehr über die Prozesskostenhilfe erfahren? Rufen Sie uns an unter 0511 – 22 00 53 30 oder schreiben Sie eine E-Mail an info@kellermann-kohlrautz.de.

Inhalt

  1. Worum handelt es sich bei der Prozesskostenhilfe?
  2. Greift die Rechtsschutzversicherung?
  3. Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe
  4. Die Ermittlung des einzusetzenden Einkommens
  5. Abziehbare Ausgaben
  6. Kostenübernahme oder Ratenzahlung
  7. Verfahrenskostenhilfe und Vermögen
  8. Unterstützung durch einen Anwalt

1. Worum handelt es sich bei der Prozesskostenhilfe?

Werden in einem Verfahren die Kosten für das Gericht und den Anwalt vom Staat übernommen, spricht man von Prozesskostenhilfe oder kurz: PKH. 

Dafür muss zunächst eine Bedürftigkeit nachgewiesen werden. Erfüllt man die Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe – seit 2009 auch Verfahrenskostenhilfe genannt – sind im Idealfall überhaupt keine Kosten selbst zu tragen. 

Oder man kann sie in kleinen Raten begleichen. Schätzungen zufolge erhält in ca. drei Vierteln aller Scheidungsverfahren einer der Betroffenen die Verfahrenskostenhilfe.

2. Greift die Rechtsschutzversicherung?

Wer im Besitz einer Rechtsschutzversicherung ist, sollte zuerst seine Vertragsunterlagen diesbezüglich überprüfen. Erfahrungsgemäß greift diese jedoch nur in seltenen Fällen auch bei Scheidungsverfahren. 

Ist aber eine Übernahme durch den Versicherungsträger möglich, schließt das die Beantragung der Verfahrenskostenhilfe bereits von Anfang an aus. Anders sieht es aus, wenn die Versicherung die Prozesskosten trotz Zusicherung nicht oder nicht vollständig übernimmt.

3. Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe

Um für ein drohendes Scheidungsverfahren eine finanzielle Unterstützung zu erhalten, müssen einige Kriterien auf Sie zutreffen. Andernfalls wird der Antrag auf Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben. 

Um nachzuweisen, ob man bedürftig im Sinne des Gesetzes ist, gilt das einzusetzende Einkommen der antragstellenden Person. Vom tatsächlichen Einkommen werden dabei zur Ermittlung einige Freibeträge und laufende Verpflichtungen abgezogen.

Zunächst entscheidend für die Gewährung der Verfahrenskostenhilfe ist, dass das angestrebte Scheidungsverfahren überhaupt eine Aussicht auf Erfolg hat. Das vorgeschriebene Trennungsjahr muss also bereits abgelaufen sein. 

Sofern nicht beide Partner in das Einreichen der Scheidung einwilligen und leben sie weniger als 3 Jahre getrennt, ist außerdem der Nachweis erforderlich, dass die Ehe zerrüttet ist. Ob die Prozesskostenhilfe gewährt wird, hängt darüber hinaus von dem einzusetzenden Einkommen ab. 

4. Die Ermittlung des einzusetzenden Einkommens

Das einzusetzende Einkommen wird dabei wie folgt ermittelt:

  • Regelmäßige Einnahmen aus Verpachtung/Vermietung
  • Einnahmen aus einer selbstständigen Tätigkeit
  • erhaltenes Kindergeld
  • Sozialleistungen
  • Wohngeld
  • erhaltene Unterhaltszahlungen
  • Rentenzahlungen

Im Falle von unregelmäßig hohem Einkommen werden die Beträge aus dem abgelaufenen Kalenderjahr addiert und durch die 12 Monate geteilt. Maßgeblich ist dann der Durchschnittswert. 

Zweckgebundene Einkünfte wie etwa das Pflegegeld sind per se von der Berechnung ausgenommen.

Für den Fall, dass noch Unterhaltsansprüche wie der Trennungsunterhalt gegen den Noch-Ehepartner bestehen, zählt dieser zu den Einkünften. Dies gilt aber nur, wenn Sie die Unterhaltszahlungen auch tatsächlich erhalten bzw. verlangen könnten. 

Verweigert der besser verdienende Ehepartner die Zahlungen, können sie indes nicht als Einkommen berechnet werden. In der Regel wird dann ein weiteres Verfahren eröffnet, um die Zahlung der zustehenden Ansprüche durchzusetzen.

5. Abziehbare Ausgaben

Vom Gesamtbetrag werden anschließend die laufenden Kosten abgezogen. Dazu zählen u. a. die Mieten für die Privatwohnung und Gewerberäume, zzgl. der Nebenkosten, Werbungskosten wie die Fahrt zur Arbeitsstelle sowie übliche Versicherungen (Haftpflicht-, Hausrat- und Lebensversicherung).

Damit nicht der Großteil des Einkommens für den Scheidungsprozess aufgewendet werden muss, lassen sich des Weiteren diverse Freibeträge geltend machen. Im Einzelnen sind das:

  • Existenzsicherung: 462 EUR
  • Berufstätigkeit: 215 EUR
  • Unterhaltszahlungen für erwachsene Personen (z. B. Kinder > 18 Jahre): 370 EUR pro Person
  • Unterhaltszahlungen für Kinder zw. 15 und 18 Jahre: 349 EUR
  • Unterhaltszahlungen für Kinder zw. 7 und 14 Jahre: 306 EUR
  • Unterhaltszahlungen für Kinder bis Jahre: 268 EUR

6. Kostenübernahme oder Ratenzahlung

Liegt das errechnete Einkommen bei weniger als 15 EUR im Monat, entfallen alle Kosten und der Staat gewährt die Verfahrenskostenhilfe in voller Höhe. Nur bei höherem einzusetzendem Einkommen wird eine angemessene Ratenzahlung angesetzt. 

Es handelt sich in dem Fall also um ein zinsloses Darlehen. Die Raten werden dabei individuell berechnet. Orientierte man sich früher noch an entsprechenden Tabellen, sind diese seit Beginn 2014 obsolet. 

Die maximale Anzahl an Raten beläuft sich derzeit auf 48 Monate. Ist der Vorschuss für den Scheidungsprozess anschließend nicht vollständig getilgt, entfällt der Restbetrag automatisch. Er muss also auch nicht im Nachhinein noch erstattet werden.

7. Verfahrenskostenhilfe und Vermögen

Besitzt der Antragsteller bzw. die Antragstellerin allerdings Vermögenswerte von mehr als 2.000 EUR, sind diese vorrangig einzusetzen. Eine PKH wird in dem Fall nicht oder nur teilweise bewilligt. Wohneigentum, welches selbst genutzt wird, ist dabei ausgenommen. 

Gleiches gilt für eine Altersvorsorge und für Vermögenswerte, die für die Ausübung des Berufs notwendig ist. Vermietete Immobilien oder die Lebensversicherung gelten bei Beantragung der PKH hingegen als Vermögenswerte.

8. Unterstützung durch einen Anwalt

Ob die Übernahme der Prozesskosten für Sie infrage kommt, können Sie am besten direkt mit Ihrem Anwalt klären. Wie Sie dabei das Beste für sich herausholen und den finanziellen wie auch bürokratischen Aufwand möglichst gering halten, erfahren Sie in einem persönlichen Gespräch. 

Da in einem Scheidungsprozess Anwaltspflicht gilt, kann Ihr Spezialist für Familienrecht auch den Antrag auf die Verfahrenskostenhilfe beim zuständigen Gericht stellen.

© stadtratte / PantherMedia

Martina Kellermann
Martina Kellermann
Seit 2001 ist Martina Kellermann nahezu ausschließlich als Anwältin für Familienrecht in Hannover tätig. Mit ihrem reichen Fundus an Erfahrung auf diesem Rechtsgebiet und durch ihre Spezialisierung berät sie ihre Mandanten im außergerichtlichen und gerichtlichen Bereich, stets auf dem aktuellen Stand der Rechtslage.
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